Wie geht es dir als Führungskraft? Alles hell und klar? Überzeugender Auftritt, keine Unsicherheiten, die Arbeit ist planbar und du hast alles im Griff? Oder führst du in purem Chaos? Sarkasmus zu einzelnen Begebenheiten genügt dir nicht mehr. Du verhältst dich zynisch, um dich in der vordergründig aussichtslosen Situation und in der Opferrolle zurechtzufinden?
Zwischen diesen beiden Extremen – nennen wir sie «weiss» und «schwarz» - gibt es enorm viel grau.
Grau – heller als schwarz und dunkler als weiss. Grau steht für die ganze Bandbreite zwischen Klarheit und Chaos, zwischen Helligkeit und Dunkelheit, zwischen Alleskönner:innen und Banausen. Dieser trostlose, wenig aufregende Farbton steht für mich auch für die grosse Masse an Mitarbeitenden, die sich tagtäglich als Arbeitskraft einbringen.
Stopp, das lassen wir so nicht so stehen. Interessiert man sich für die einzelnen Individuen, dann zeigt sich ein buntes Feld an unterschiedlichen Persönlichkeiten. Manchmal hochengagiert, zwischendurch betrübt und mit angezogener Handbremse, oft mit viel Herzblut und fast ausnahmslos mit der Absicht, im Rahmen ihrer Möglichkeiten das Beste am Arbeitsplatz zu bewirken. Je nach Charakter unaufgeregt, kreativ, bescheiden, witzig, interessiert, genau, introvertiert, vorlaut, belesen, ausgefallen.
Wie begegnest du als Führungskraft diesen Mitarbeitenden? Betrachtest du sie als graue Mäuse oder bist du dir bewusst, welches Potenzial an Fähigkeiten und Erfahrungen in diesen Mitmenschen vereint ist – welche Farben im Team zum Vorschein kommen und das Miteinander bereichern?
Als Führungskraft sehe ich es als meine Pflicht, den ganzen Menschen und nicht nur die Rolle des Angestellten zu sehen. Damit das gelingt, nehme ich die Arbeitskolleginnen und -kollegen, wie sie sind. Dazu gehört, dass ich auch meine verschiedenen Rollen mit den Stärken und Schwächen zeige:
- Unsicherheiten zulassen und eine Beziehung aufbauen, in der man ehrlich Rückmeldungen geben kann: Damit man mir direkt ins Gesicht sagen kann, wenn ich plakative Aussagen mache und damit gewissen Personengruppen ungewollt schlecht dastehen lasse oder wenn ich mich gutgemeint, aber unüberlegt, in die Sitzungsgestaltung einmische.
- Mit den Vorgesetzten so umgehen, wie man es von den Mitarbeitenden wünscht: Ich lasse mich nicht nur führen, sondern ich führe auch meine Chefs.
- Sich sein: Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich mich beim Priorisieren der Teamaufgaben und der Anliegen von Mitarbeitenden manchmal schwertue oder das meine Aufwandschätzung zu optimistisch ist.
- Dazu stehen, dass man in vielen Situation auch zur «grauen grossen Masse» gehört: Mit Hoch und Tiefs, zwischendurch als Überflieger, wenn es dem Team gelingt, Prozesse zu verbessern und die Zusammenarbeit mit den anderen Teams zu vereinfachen. Handkehrum als Klagender, wenn ich mit gewissen Rahmenbedingungen schlecht umgehen kann.
Wie gehst du als Führungsperson mit den unscheinbaren Teammitgliedern um? Teilt ihr euch die Aufgaben so, dass sich die Mitglieder in unterschiedlichen Rollen mit ihren Stärken einbringen und entfalten können?
[Roland und Liselotte Greber, undbewusst.ch, 29.4.2022]